Einer flog über den Koppelzaun

Das letzte Mal habe ich euch erzählt, wie ich zu Sabrina kam. Da fing dann das abenteuerliche Leben erst richtig an! Auch - und vielleicht vor allem - für Sabrina. Denn ich halte die Kleine ganz schön auf Trab. Davon erzähle ich euch heute ein bisschen.

Sabrina hat am Abend der Ankunft noch mit dem Stallbesitzer gesprochen, weil ja am nächsten Tag alle anderen Pferde aus dem Stall wie gewöhnlich auf die Koppel sollten. Irgendwie haben die ganz schön lange rumdiskutiert und ich habe nur was aufgeschnappt wie "raus schon, aber nicht zusammen... abteilen zwei Wochen lang... geht nicht anders... erst raus, wenn ich auch da bin!"

Wozu musste Sabrina da sein? Ich hatte keine Ahnung, was die da besprochen hatten, aber Sabrina ist sehr energisch geworden und da ließ ich mich einfach überraschen. Die Nacht war ruhig und am Nachmittag holte dann der Stallbesitzer alle Pferde aus den Boxen und stellte sie zusammen auf eine große Wiese gegenüber vom Stall. Nur mich hatte er wohl drin vergessen. Er verschwand auf der Koppel und werkelte dort am Zaun herum.

"Wenn er mich vergessen hat", dachte ich "dann muss ich ihn eben rufen". Und dann brüllte ich so ein bisschen herum. Nach einer Viertelstunde kam der Stallbesitzer und holte mich aus der Box. Wie gut, dass ich ihn daran erinnert hatte, dass da noch ein Pferd mehr im Stall steht, der hätte das sonst vermutlich vergessen. Er brachte mich rüber auf die Koppel. Da war ganz am Ende ein Teil der Koppel von den anderen Pferden getrennt. "Und da soll ich rein? Na ja, besser als ganz alleine in der Box". Ich ging auf den Koppelteil und lief wohl gute 10 Minuten am Zaun hin und her, auf der anderen Seite war die komplette Mannschaft am Zaun versammelt.

Dann stellte ich mich hin vor den Zaun und streckte den Kopf in die Höhe. "Nur mal schauen wie groß ich eigentlich bin," dachte ich so bei mir. Für meine 4 Jahre war ich doch schon gut 1,70 groß, damals wohl ungefähr 10 cm größer als Sabrina...und auch 10 cm größer als der Zaun..."ob sich da was machen lässt?"

Ab jetzt nur noch mit Anlauf!
Ab jetzt nur noch mit Anlauf!

Plötzlich hörte ich Gemurmel von der kleinen Menschengruppe und dem Stallbesitzer, die alle auf die Koppel starrten. "Der wird doch wohl nicht....", "Quatsch, wie soll der denn ohne Anlauf...

"Anlauf, ich und Anlauf... ? Ha, Anlauf, das ist doch was für Weicheier!" dachte ich mir. Und irgendwie kam das alles ganz automatisch, ohne dass ich noch Zeit gehabt hätte, darüber nachzudenken. Ich beugte die Sprunggelenke ordentlich durch, stieß mich ab - da kam auf der Kieseinfahrt quietschend ein Auto zum stehen und ich hörte nur noch ein grelles "Neeeeeeiiiiiiiiiiiiiinnnnnnnnnnn!" - ich schwebte elegant über den Koppelzaun von 1,60m und streifte mit den Hinterbeinen die Stromlitze. Tja, weil Anlauf ist ja eben was für Weicheier, das bißchen bitzeln an den Beinen nahm ich da in Kauf.

 

Hatte doch wunderbar funktioniert. Ich drehte mich zu den Menschen um und da stand meine kleine Sabrina mal wieder mit ganz weißem Gesicht - das kann sie hervorragend von einer Minute zur anderen die Gesichtsfarbe wechseln! - und offenem Mund. Sie kam rübergeschossen, packte mich am Halfter und führte mich auf die andere Koppel zurück. So hatte ich mir das aber nicht vorgestellt. Aber das Ganze nochmal? Nein, dafür wars zu anstrengend. Sabrina schaute sich die Hinterfüße genau an, gab mir einen Klaps auf den Po und ließ mich in meinem Koppelteil grasen. Dann wandte sie sich an den Stallbesitzer. Ui, da war die weiße Gesichtsfarbe in eine rote gewechselt. "Ich habe doch extra gestern noch gesagt, erst wenn ich da bin! Die haben schon seine Schwester auf Probe weg gehabt und die haben sie mit nem kaputten Bein zurückbekommen! Wenn jetzt was passiert wäre!" Nach einiger Diskussion war dann auch dieses Thema beendet und ich glaube seit dem Tag war allen klar, dass der Stallbesitzer keine Alleingänge mehr unternehmen würde.

auf der anderen Seite des Zauns ist das Gras immer grüner!
auf der anderen Seite des Zauns ist das Gras immer grüner!

Sabrina hat mir dann noch mal genau erklärt, warum ich noch nicht zu den anderen Pferden auf die Koppel durfte, ab dann war mir alles klar und ich lief zwar noch am Zaun auf und ab, aber drüberspringen war tabu. Damit ich nicht so allein war, hat sich Sabrina dann mit einem Buch auf die Koppel gesetzt und ist den ganzen Abend geblieben. Zur Futterzeit gabs dann noch eine ausführliche Putzorgie, denn es ist ja nicht so, dass ich mich nicht gerne im Dreck wälze nur weil ich weißes Fell habe. Außerdem bin ich ja auch zweimal beim galoppieren hingefallen. Deshalb bin ich besonders dreckig gewesen. Das wollte ich eigentlich gar nicht erwähnen, weil’s mir immer noch peinlich ist. Irgendwie habe kam dieser blöde Baum auf der Koppel plötzlich auf mich zu gerannt, und um ihm auszuweichen habe ich mich eben fallen lassen und bin haarscharf mit dem Rücken am Baumstamm vorbei geschlittert. War für Sabrina natürlich mal wieder ein Grund die Gesichtsfarbe zu wechseln.

 

Ihr seht auch der zweite Tag war richtig aufregend und anstrengend. Allerdings habe ich in der ersten Zeit mit Sabrina auch immer wieder irgendwelchen Blödsinn angestellt... aber mehr darüber beim nächsten Mal.

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